Anna_im_Kimono

Den Kulturcode knacken

vom 3. Februar 2025

und den kulturellen erster Eindruck meistern

Acting-Techniken für interkulturellen Erfolg

7:30 Uhr. Ich sitze im ICE, der gerade in den Hamburger Hauptbahnhof einfährt. Mit meinem Earl Grey Tee in der Hand beobachte ich vom Zugfenster aus eine japanische Touristengruppe auf dem Bahnsteig, die sich mit leichten Verbeugungen begrüßt. Die subtilen Nuancen in ihrer Körpersprache fallen mir sofort auf – ein Erbe meiner familiären Verbindungen nach Japan, wo meine Familie lange gelebt hat. deshalb weiß ich, der kulturelle erste Eindruck ist ganz schön fordernd sein.

Diese morgendliche Szene erinnert mich daran, wie unterschiedlich der erste Kontakt zwischen Menschen aussehen kann. Als jemand, der ständig zwischen Deutschland und Frankreich pendelt und mit engen, familiären Verbindungen nach Japan und in die USA auch international vernetzt ist, erlebe ich oft, wie entscheidend diese ersten Momente für Beziehungen sind – sei es privat oder im Business.

Die 100-Millisekunden-Entscheidung: So schnell entschlüsselt dein Gehirn kulturelle Signale

Du begegnest einem Menschen und innerhalb von Sekunden formt sich ein Urteil in deinem Kopf. Sympathisch oder unsympathisch? Kompetent oder überfordert? Vertrauenswürdig oder suspekt? Dieser blitzschnelle „Scan“ ist menschlich und unvermeidlich – aber was wir dabei als positiv oder negativ bewerten, ist stark kulturell geprägt.

Die Wissenschaft bestätigt: Wir brauchen erschreckend wenig Zeit für diesen ersten Eindruck. Studien von Willis und Todorov zeigen, dass wir bereits in etwa 100 Millisekunden – also weniger als einer Sekunde – grundlegende Einschätzungen über Sympathie, Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz treffen. Unser Gehirn arbeitet dabei auf Hochtouren, um unbewusst potenzielle Chancen oder Risiken zu erkennen, was evolutionär betrachtet überlebenswichtig war.

Diese blitzschnellen Einschätzungen haben weitreichende Folgen, besonders wenn sie durch kulturelle Missverständnisse verzerrt werden. Sie beeinflussen maßgeblich, ob wir mit jemandem zusammenarbeiten, befreundet sein oder eine Geschäftsbeziehung eingehen möchten.

Kulturkartographie: Die geheimen Codes entschlüsselt
Blickkontakt – Machtdemonstration oder Respektlosigkeit?

In Deutschland gilt direkter Augenkontakt als Zeichen von Selbstbewusstsein und Aufrichtigkeit. Wer seinem Gegenüber nicht in die Augen schaut, wirkt schnell unsicher oder unehrlich. Ein Bewerbungsgespräch ohne festen Blickkontakt? Kaum vorstellbar.

Ganz anders in Teilen Ostasiens: Als ich meine japanische Schwägerin das erste Mal traf, erinnerte mich ihr Verhalten an die kulturellen Nuancen, die ich bereits kannte. Ihr häufiges Senken des Blicks ist dort kein Zeichen von Unsicherheit, sondern von Respekt. Zu intensiver Augenkontakt kann in Japan als aufdringlich oder sogar respektlos gelten, besonders gegenüber Älteren oder Ranghöheren. Als älteste Schwester im Familiensystem konnte ich diese Dynamik direkt erleben. Was viele Deutsche als zurückhaltend interpretieren würden, ist in Wahrheit eine kulturell tief verankerte Form der Höflichkeit.

Körperkontakt – Der unsichtbare Territoriumskrieg

Der feste Händedruck ist in Deutschland nach wie vor Standard. Er soll Verlässlichkeit und Stärke signalisieren. In Frankreich dagegen begrüße ich nicht nur Freund:innen, sondern auch Bekannte und Nachbar:innen mit Wangenküsschen, auch Geschäftspartner:innen werden oft so empfangen. In Südeuropa gehören Umarmungen zum Alltag.

Mein Vater musste sich vor 40 Jahren in Kyoto erst mal daran gewöhnen, dass körperliche Distanz dort kein Zeichen von Kälte ist, sondern von Respekt für den persönlichen Raum. Als er einem Kollegen bei der ersten Begegnung die Hand reichte, entstand ein kurzer Moment der Verwirrung – eine leichte Verbeugung wäre angemessener gewesen. Als Europäer und Lehrer an der Universität in Kyoto war sein erster Instinkt immer, die Hand auszustrecken, was zu einigen unbehaglichen Momenten führte. Es fiel ihm besonders schwer, mit dieser kulturellen Unterschiedlichkeit zu leben, da er täglich mit Kollegen und Studierenden interagieren musste. Es dauerte eine Weile, bis er den japanischen Begrüßungskodex verinnerlichte. Und als er lange genug dort war, hatte er sich so sehr daran gewöhnt, dass er auch meine Freunde in Berlin mit einer leichten Verbeugung begrüßte – was wiederum für neue kulturelle Missverständnisse sorgte.

Small Talk – Zeitverschwendung oder Vertrauensbrücke?

„Wie geht’s der Familie? Wie war dein Wochenende? Schönes Wetter heute, oder?“

In Deutschland kann Small Talk schnell als oberflächlich oder zeitraubend empfunden werden. Wir kommen gerne zügig zum Punkt. In den USA hingegen gehört ausgiebiger Small Talk zum guten Ton – er signalisiert Interesse am Menschen und schafft eine Basis für Vertrauen.

Bei einem Business-Lunch in New York erlebte ich, wie mein deutscher Kollege direkt über Projektdetails sprechen wollte, während unser amerikanischer Gastgeber erst einmal 15 Minuten über Baseball und Familie plauderte. Mein Kollege wurde immer ungeduldiger, während der Amerikaner sich wunderte, warum sein Gast so verschlossen wirkte.

Kulturelle Kollisionen: Peinlich, lehrreich, unvermeidbar

Die Vermischung kultureller Codes kann zu komischen, manchmal auch peinlichen Situationen führen. Besonders eindrücklich erlebte ich das bei einer Zusammenarbeit mit einem britischen Coach für einen deutschen Kunden.

Da ich mit typisch deutscher Direktheit zum „Kern der Sache“ kommen wollte, kritisierte ich einen Vorschlag meines britischen Kollegen mit den Worten: „Das wird so nicht funktioniert, lass uns das anders angehen.“ Für mich eine sachliche Feststellung – doch die sprichwörtlich britische Höflichkeit arbeitet anders. Ich bemerkte sofort, wie die Atmosphäre einfror. Was in Deutschland als wertvolle Klarheit gilt, wirkte in diesem kulturellen Kontext wie ein Frontalangriff. Mein Kollege antwortete mit einem höflichen „Das ist ein interessanter Gedanke“ – was im britischen Kontext praktisch bedeutete: „Ich bin absolut nicht einverstanden.“

Erst Tage später, nach mehreren ähnlichen Missverständnissen, klärten wir die kulturellen Unterschiede auf. Er erklärte mir, dass Kritik in Großbritannien fast immer mit abmildernden Formulierungen wie „Vielleicht könnten wir auch überlegen…“ oder „Ich frage mich, ob…“ eingeleitet wird. Was ich als erfrischende Klarheit verstand, kam bei ihm als unhöflicher Affront an.

Diese Missverständnisse sind mehr als nur lustige Anekdoten – sie können Geschäftsbeziehungen belasten, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben.

Das Gute ist jedoch: Der erste Eindruck ist nicht in Stein gemeißelt. Auch wenn unser Gehirn blitzschnell urteilt, haben wir die Chance zur Korrektur. Mit jeder weiteren Begegnung sammeln wir mehr Informationen, die unsere anfängliche Einschätzung verfeinern oder sogar komplett ändern können. Der Schlüssel liegt darin, sich dieser automatischen Bewertungen bewusst zu werden und offen für neue Erkenntnisse zu bleiben.

Bühne frei: Acting Tools für deinen kulturellen Auftritt

Wie können wir diesen kulturellen Stolperfallen begegnen? Ich schlage dir mal ein paar meiner Acting Tools vor::

Strategische Rollenanalyse vor dem Auftritt

  • Recherchiere wie ein Schauspieler, der eine neue Rolle vorbereitet
  • Kläre vor der Begegnung alle kulturellen Basisinformationen
  • Bereite dich auf die „Szene“ vor – welche Reaktionen sind kulturell angemessen?

Aktives Beobachten mit der „Character Analysis“

  • Nutze die Schauspieltechnik der Charakteranalyse in den ersten Minuten jeder Begegnung
  • Studiere subtile Körpersprache-Signale und kulturelle Marker wie ein:e Schauspieler:in
  • Identifiziere den „Rhythmus“ und die kommunikativen Muster deines Gegenübers

Status-Spiel bewusst einsetzen

  • Nutze Schauspiel-Techniken zur Status-Darstellung
  • Passe Körperhaltung, Stimmlage und Blickkontakt an kulturelle Erwartungen an
  • Experimentiere bewusst mit „High Status“ und „Low Status“ Elementen

Der „Cultural Reset“ als Szenenbruch

  • Nutze die Schauspiel-Technik des bewussten Bruchs
  • Atme tief durch und stelle dir vor, du betrittst eine neue „Szene“
  • Löse dich von deinem gewohnten „Charakter“ und schlüpfe in eine neue Rolle

Verbale Improvisationstechniken

  • Bereite dich mit „Wenn, dann“-Szenarien vor (wie in der Impro-Szene üblich)
  • Merke dir kulturspezifische Schlüsselsätze und Redewendungen
  • Trainiere Status-angemessene Reaktionen auf Unerwartetes
Kulturelle Flexibilität als Karrierebooster

Die Fähigkeit, kulturelle Codes zu erkennen und angemessen zu reagieren, ist mehr als nur ein nettes Extra – sie ist eine Kernkompetenz in unserer globalisierten Welt. Statt andere Kulturen durch unsere deutsche Brille zu betrachten, können wir diese Unterschiede als Bereicherung sehen.

Meine Zeit in verschiedenen Kulturkreisen hat mich gelehrt: Wer sich auf andere Perspektiven einlässt, gewinnt nicht nur geschäftlich, sondern wächst auch persönlich. Die japanische Zurückhaltung hat meine direkte Art etwas abgemildert. Der französische Fokus auf Lebensqualität hat meinen deutschen Effizienzgedanken gesund ergänzt.

Diese Vielfalt an Herangehensweisen macht uns widerstandsfähiger und kreativer. Oder wie meine amerikanische Tante es ausdrückt: „Du kannst das Leben durch verschiedene Fenster betrachten – je mehr Fenster, desto größer wird dein Haus.“

Dein nächster internationaler Auftritt: Die Bühne gehört dir

Vor deiner nächsten internationalen Begegnung lade ich dich ein, einen Moment innezuhalten und dich zu fragen:
  • Mit welchen kulturellen Erwartungen gehe ich in diese Situation?
  • Bin ich bereit, meine eigenen Muster zu hinterfragen?
  • Welche neuen Perspektiven kann ich dabei gewinnen?

Diese Offenheit für kulturelle Unterschiede ist keine Schwäche oder Selbstaufgabe – sie ist eine Stärke, die uns in einer vernetzten Welt weiterbringt.

Für einen intensiveren Einblick in interkulturelle Kommunikation und wirkungsvolle Selbstpräsentation biete ich spezielle Fokus-Coachings an, bei denen wir intensiv mit Acting Tools an deiner internationalen Präsenz arbeiten. In unserem Speaker Reterat – Create Resonance im französischen Cantal trainieren wir deine interkulturelle Performance mit konkreten Szenarien und Rollenspielen – damit du in jeder Kultur authentisch und wirkungsvoll auftrittst.

Teile gern deine eigenen interkulturellen Erfahrungen in den Kommentaren! Welche überraschenden Begegnungen hast du erlebt? Was hast du dabei über dich selbst gelernt?

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