Stabil-im-Zwischenraum _mit Acting Tools Ambiguität aushalten

Stabil im Zwischenraum – mit Acting Tools Ambiguität aushalten

vom 25. Oktober 2024

Es ist früh am Morgen meines Abreisetages und ich sitze entspannt mit meinem Tee auf dem Sofa, als ich noch einmal kurz auf mein Zugticket schaue – und mir fast das Herz stehen bleibt: Hamburg Harburg statt Hamburg Altona! Während mein Zug in wenigen Minuten in Altona abfährt, soll ich laut Ticket erst in 30 Minuten in Harburg einsteigen. Ein klassischer Fall von Selbstsabotage, den ich zum Glück in letzter Sekunde bemerke. Als Coach erlebe ich solche Momente der Ambiguität nicht nur persönlich, sondern auch bei meinen Coachees. Solche Momente der Unachtsamkeit sind oft mehr als simple Fehler – sie sind Ausdruck einer tiefer liegenden Ambiguität. Als Person, die zwischen Hamburg und diesem einen, verwunschenen Ort im Cantal in Frankreich pendelt, kenne ich das Gefühl gut, verschiedenen Welten gleichzeitig anzugehören. In Hamburg binden mich meine beruflichen Verpflichtungen und vor allem meine zwei wunderbaren Teenager, während ich im Cantal in Frankreich gerade dabei bin etwas Neues aufzubauen und mich zugleich um meine älter werdenden Eltern kümmere. Diese doppelte Verantwortung, die sowohl persönliche als auch berufliche Sphären umfasst, verbindet mich mit Führungskräften in der Sandwich-Position: Auch sie navigieren täglich zwischen unterschiedlichen Welten, Erwartungen und Loyalitäten.

Ambiguität als Ressource verstehen

Als ehemalige Schauspielerin habe ich gelernt, dass oft die größte Kraft oft genau dort liegt, wo wir zunächst Schwäche vermuten. Auf der Bühne ist ein reiches inneres Erleben – mit all seinen Widersprüchen und Facetten – kein Hindernis, sondern die Grundvoraussetzung für authentisches Spiel. Als Schauspielende müssen wir in der Lage sein, aus diesem vollen emotionalen Repertoire genau das auszuwählen und zu nutzen, was die Figur und die Situation gerade brauchen. Das erfordert höchste Präzision: Während wir innerlich einen ganzen Ozean an Gefühlen und Impulsen zur Verfügung haben, steuern wir gleichzeitig bewusst, welcher Tropfen davon nach außen sichtbar wird. Ambiguität ist hilfreich und sogar notwenig um immer wieder von neuem neue. und andere Charaktere zu erschaffen.

Diese Fähigkeit zur gleichzeitigen inneren Fülle und äußeren Kontrolle basiert vor allem auf zwei Säulen: ausgefeilte Körperbeherrschung und präzise Gedankensteuerungstechniken. Was im Theater eine künstlerische Notwendigkeit ist, wird in der Sandwich-Position zur Führungskompetenz: Auch hier geht es darum, verschiedene, teils widersprüchliche Anforderungen nicht als Belastung zu sehen, sondern als Repertoire, aus dem wir situativ schöpfen können.

Acting Tools in der Führungspraxis: Drei Kernkompetenzen

1. Bewusstes Containment statt Kontrolle

Im Theater lernen wir, verschiedene, auch gegensätzliche Emotionen gleichzeitig zu halten und zu nutzen. Für Führungskräfte bedeutet das:
– Erkenne deine verschiedenen Loyalitäten als Zeichen deiner Verbundenheit
– Nutze dein Gespür für verschiedene Perspektiven als strategischen Vorteil
– Entwickle die Fähigkeit, Spannungen auszuhalten, ohne sie auflösen zu müssen

2. Emotionale Orchestrierung

Die Bühne zeigt uns, komplexe emotionale Zustände bewusst zu gestalten.
Im Führungskontext heißt das:
– Verstehe deine verschiedenen emotionalen Ebenen als Instrument
– Setze unterschiedliche Facetten deiner Persönlichkeit gezielt ein
– Schaffe Authentizität durch Integration statt durch Vereinfachung

3. Kreative Fehlerkultur 

Auf der Bühne wird aus jedem Stolpern eine Chance.
Diese Haltung stärkt auch Führungskräfte:
– Nutze vermeintliche Fehler als Anlass für echte Verbindung
– Entwickle eine entspannte Haltung zu Unvollkommenheit
– Mache Ambiguität zum Thema, statt sie zu verstecken

Transfer in die Sandwich-Position

Die Position zwischen Team und Top-Management erfordert ein besonderes Set an Fähigkeiten. Zentral ist dabei die Kompetenz, verschiedene Perspektiven simultan einnehmen zu können, während man widersprüchliche Anforderungen geschickt ausbalanciert. Die große Herausforderung besteht darin, trotz unterschiedlicher, teils gegensätzlicher Erwartungen die eigene Authentizität zu bewahren und nicht zum Chamäleon zu werden.

Konkrete Unterstützung für deine Führungsrolle

Meine Inhouse-Trainings und Coachings nutzen Acting Tools als Entwicklungsinstrumente. Im Fokus steht dabei das souveräne Führen herausfordernder Gespräche sowie die Kunst, verschiedene Stakeholder zu balancieren. Die Teilnehmenden entwickeln eine authentische Führungspräsenz und lernen, Komplexität nicht als Hindernis, sondern als wertvolle Ressource zu verstehen.

Fazit: Von der Bühne in die Führungsrolle

Die Techniken aus der Schauspielkunst bieten einen wertvollen Werkzeugkoffer für Führungskräfte in der Sandwich-Position. Sie helfen dabei, Ambiguität nicht nur auszuhalten, sondern als Quelle von Kreativität und Führungsstärke zu nutzen. Mit den richtigen Tools verwandelst du vermeintliche Gegensätze in ein kraftvolles Sowohl-als-auch.
Ambiguität ist oft eine Herausforderung, kann aber auch eine Quelle von Kreativität und neuen Möglichkeiten sein. Wie wäre es, wenn wir gemeinsam deinen eigenen Weg im Umgang mit mehrdeutigen Situationen finden – einen Weg, der dir und deinem Team neue Perspektiven eröffnet?

Und wie ging die Geschichte mit dem Zugticket aus?

Dank der rechtzeitigen Entdeckung meines „Harburg-Moments“ sitze ich jetzt entspannt in meiner Wohnküche im Cantal. Draußen ist es dunkel geworden nach einem wunderbaren ersten Tag, und der weite Himmel ist übersät mit Sternen. In solchen Momenten wird mir klar: Die vermeintliche Zerrissenheit zwischen den Welten ist eigentlich ein Geschenk. Unter diesem funkelnden Sternenhimmel der Auvergne fühlt sich die morgendliche Aufregung fast unwirklich an – und erinnert mich doch daran, dass wir die Kunst der Balance zwar nicht perfekt beherrschen müssen, aber sie uns, wenn wir sie annehmen, zu besonderen Orten und Erkenntnissen führt.

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